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Backe, backe Kuchen

Vera Sturm

Deine Figur mit dem größten Gerechtigkeitssinn muss für eine verhasste Figur ein Geschenk besorgen.

„Nein, das sehe ich absolut nicht ein!“ Ich tobte vor Wut.

„Nun komm mal wieder runter“, versuchte Dina, mich zu beruhigen. „Vera, was ist überhaupt los? Das ist doch nur ein Geschenk.“

„Pah“, schnaubte ich, „nur ein Geschenk. Von wegen! Meine Mutter hat mir schon Jahre nichts mehr geschenkt. Wieso soll da ausgerechnet ich ihr noch einmal etwas schenken?“

„Sie hat einen runden Geburtstag“, argumentierte Dina schwach.

„Na und? Eine runde Frau hat einen runden Geburtstag. Ansonsten geht sie mir nur auf den Keks. Wenn sie Hilfe braucht, bin ich ihr recht, aber sonst würde sie mich am liebsten davonjagen.“

„Sprich doch nicht so fies von deiner Mutter.“

„Ich darf von ihr sprechen, wie ich es für richtig halte. Schließlich ist sie – wie du richtig erkannt hast – meine Mutter! Eine sehr miserable Mutter … eine hundsmiserable Mutter … eine Rabenmutter“, schnaubte ich.

„Vera, so kenne ich dich gar nicht!“ Geschockt guckte mich Kim aus großen Augen an.

„Ich mich auch nicht“, gab ich zu. Mir war es selbst unerklärlich, woher dieser Wutausbruch kam. „Aber wenn mich meine Mutter so schamlos ausnutzt und auch noch verlangt, ein Geschenkt zu bekommen, hat sie sich gewaltig geirrt. Nicht mit mir! Sie kann froh sein, dass ich sie nicht enterbe!“

„Müsste das nicht sie mit dir machen?“, überlegte Kim.

„Mensch, sei doch leise. Das hörte sich gerade so schön an! Mrr“, schnauzte ich, „du hast recht.“

„Sollen wir dir helfen?“ bot Dina an.

„Nein! Ich sehe es einfach nicht ein, Geld für diese egozentrische und selbstsüchtige Schabracke auszugeben. Ich werde ihr schon ein Geschenk besorgen, darauf könnt ihr euch verlassen. Aber eines, das sie verdient hat – und das absolut nichts Gutes. Als Pechmarie soll sie durch den Torbogen gehen. Hässlich bis an ihr Lebensende!“, knurrte ich.

Schon lange nutzte mich meine Mutter aus und ließ sich regelrecht von mir bedienen. Ich war wahrscheinlich viel zu gutmütig, dass ich das mit mir machen ließ. Nun hatte ich die Nase gestrichen voll. Ich würde keinen Finger mehr für sie rühren. Dann kam gestern die Einladung zu ihrem Geburtstag. Pah, die wird Augen machen, wenn ich ihr das Geschenk überreiche.

„Was hast du vor?“, wollte Dina wissen. „Eigentlich würde ich es dir nicht zutrauen, da ich weiß, wie gutmütig und liebevoll du immer bist, aber gerade habe ich das Gefühl, du würdest deine eigene Mutter ausweiden, wenn du es könntest.“

„Sieht man mir das so deutlich an?“, fragte ich mit leiser, bedrohlicher Stimme.

„Vera, ich bekomme Angst vor dir!“, kreischte Kim entsetzt auf.

„Du musst ja nicht zusehen, wenn ich es mache“, meinte ich trocken.

„Das ist echt makaber, Vera.“ Dina schüttelte sich bei dem Gedanken.

Mir gefiel das Bild. Verdient hätte sie es … Nein, so etwas hatte niemand verdient! Nicht einmal die schlechteste Person dieser Welt. Was dachte ich da eigentlich? Dem Zweikampf, den sich das Engelchen auf der einen Schulter und das Teufelchen auf der anderen lieferten, konnte ich nicht mehr lange standhalten. Meine Gefühle kochten über. Meine Geduld war am Ende.

„Ich weiß, aber gerade ist mir danach“, sprach das Teufelchen aus mir. „Aber du weißt natürlich, dass ich das nicht machen würde“, fügte das Engelchen rasch hinzu. Als ob das nötig gewesen wäre. Nie hätte ich meine eigene Mutter verletzt, schon gar nicht ausgeweidet. Bevor ich mir die Finger so schmutzig mache, würde ich eher zu Gift greifen und sie anschließend in einem Säurebad restlos auflösen. Das hatte ich mal in einem Krimi gesehen. Es war grausam, aber effektiv: keine Spuren – und wo kein Kläger, da kein Richter.

Herrje. Ich musste mich zusammenreißen. Das Teufelchen schien die Überhand zu bekommen.

„Wollen wir zusammen schauen, was wir ihr schenken?“, schlug Kim vor. „Ich habe bestimmt eine Idee, die deine Mutter verdient hätte. Nach einem heftigen Streit mit meiner Mum habe ich ihr einen Kuchen aus ranziger Butter, faulen Eiern und verschimmeltem Mehl gebacken. Eine Woche ist sie nicht mehr vom Klo gekommen.“ Kim lachte auf. „Entschuldigung, aber das war einfach zu komisch – auch wenn es sehr fies war, ich weiß.“

Mein Gesicht hellte sich auf. „Das ist die Idee.“

„Das ist nicht dein Ernst, Vera“, stutzte Dina.

„Und ob es das ist. Freunde, wir backen! Am besten sofort. Je älter der Kuchen ist, desto besser.“

„Unglaublich, das ist wirklich abscheulich. Also da bin ich raus. So gerne ich auch backe, unter die Giftmischer gehe ich nicht. Perdóname!“ Kopfschüttelnd verließ Dina meine Wohnung.

Kim guckte mich erwartungsvoll an.

„Bist du dabei?“, fragte ich sie.

„Auf jeden Fall. Brauchst du das Rezept?“

„Du hast ein Rezept von diesem Kuchen?“, fragte ich belustigt nach.

„Ich bin keine besonders gute Bäckerin. Ich halte mich immer nach Rezept“, verriet sie mir.

„Dann los, schmeiß den Ofen an und rann an die Rührschüssel.“ Voller Eifer suchte ich alte Zutaten zusammen, die ich zu meinem Erschrecken zu Hauf in der hintersten Ecke in meinem Küchenschrank auch fand. Ein Glück, dass ich danach gesucht hatte. Irgendwann wäre mir die Butter von allein davongelaufen.

„Bah, das stinkt ja abscheulich“, merkte Kim naserümpfend an.

„Da ist mir mein Geschirr fast zu schade, um mit diesem Schrott zu backen“, fand ich.

Aus dem Schlafzimmer holte ich zwei Wäscheklammern, die wir uns auf die Nase setzten, dann machten wir uns gemeinsam ans Werk.

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