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Der heilige Bimbam

Vera Sturm

Heilige drei Könige

Draußen war es ziemlich kalt, doch drinnen war es kuschlig warm. Wir saßen auf Dinas Sofa eingemummelt in Kuscheldecken und schauten uns einen Film im Fernsehen an.

Da riss uns die Haustürklingel unsanft aus dem Film heraus.

„Na super! Muss das jetzt sein?“, stöhnte Dina genervt auf. „Wir gucken doch gerade einen Film und ich habe es so schön warm. Nein, ich stehe jetzt nicht auf.“

„Ich gehe schon“, meinte Kim. Sie griff nach der Fernbedienung, pausierte den Film und eilte zur Haustüre. Ich lehnte mich nach hinten, um zur Tür sehen zu können.

„Huch, was wollen Sie?“, hörten wir Kim irritiert ausrufen. Der Besuch schien sie zu irritieren. Ich erkannte leider nicht, um wen es sich handelte. Kim verdeckte mein Blickfeld.

„Wer ist da?“, wollte Dina wissen.

„Drei Männer … sie kommen aus einer anderen Zeit. Und sie stinken!“, rief Kim.

„Was?“, stutzte Dina und guckte mich verwundert an. „Siehst du, wer das ist?“

„Nein, leider nicht, aber ich bin eigentlich zu faul, um aufzustehen“, nörgelte ich, doch ich erhob mich gegen meinen Willen, da die Neugier doch siegte. Auch Dina schien sie gepackt zu haben. Sie folgte mir. Doch als ich den Besuch sah, brach ich in schallendes Gelächter aus.

„Drei Könige, Kim. Das sind die Heiligen Drei Könige“, erklärte ich ihr. „Sie …“

„Könige?“ Schnell verbeugte sich Kim und blieb geduckt. „Entschuldigung, Eure Hoheiten. Ich wusste nicht, dass Sie Könige sind. Aber wie kommt es, dass gleich drei Könige bei meiner Freundin vor der Türe sethen?“

„Kim“, ich wusste nicht, ob ich mich schämen oder laut loslachen sollte, „die Heiligen Drei Könige sind keine echten Könige. Also damals waren es echte, aber diese Männer vor unserer Tür sind verkleidete Männer unserer Zeit. Und was da so stinkt, ist der Weihrauch.“ In diesem Moment ging eine Alarmglocke in meinem Kopf an. „Bitte“, wandte ich mich an die Männer, lassen sie den Weihrauch aus meiner Wohnung. Ich vertrage den Geruch nicht.“ Im vorigen Jahr hatte einer der Könige so viel von seinem Rauch in die Wohnung gewedelt, dass ich es eine Woche nicht herausgelüftet bekommen hatte. Das wollte ich nicht noch einmal.

In diesem Moment begannen die Könige zu singen, was Kim nun das letzte Verständnis zu rauben schien.

„Warum singen sie jetzt?“, fragte sie panisch.

„Du musst ihnen Geld geben, dann hören sie auf“, lachte ich. Ich holte ein paar Euromünzen aus meiner Hosentasche und warf sie in ihre Spendenbox. Tatsächlich verstummten die drei, sobald es in ihrem Kässchen klimperte.

„Vielen Dank und einen schönen Abend“, wünschte der eine, während ein anderer sich auf die Zehenspitzen stellte und mit Kreide etwas auf den Türrahmen schrieb.

„He, was kritzelt ihr da auf ihre Tür?“, empörte sich Kim und trampelte nach draußen.

20 * C + M + B 21

„Hä, was soll das sein?“, wunderte sie sich, als sie die Symbole sah.

„Wir sind Caspar, Melchior und Balthasar, die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland und haben den Segen für diese Wohnung erneuert“, erklärte einer der Sternsinger, wie sie auch genannt werden.

„Ein Segen? Beim Heiligen Bimbam! Und was schreibt ihr dann eure Namen darüber?“ Anklagend deutete sie auf die Buchstaben, dann anklagend auf den Schreiber des Segens. „C + M + B? Wieso sind eure Initialen ein Segen?“

„Diese Kombination steht nicht für unsere Namen. Die Buchstaben stehen für Christus Mansionem Benedicat, was so viel wie Christus segne dieses Haus bedeutet“, klärte er Kim auf.

„Aha.“ Kim schien nicht ganz überzeugt zu sein, doch für mich war es eine pure Comedy Show.

„Gibt es den Dreikönigstag nicht auch bei dir in England?“, wollte Dina wissen. „Auf Spanisch heißt es Epifanía del Señor oder auch Día de los Reyes Magos und wird wie in Deutschland am 6. Januar gefeiert. In Spanien füllen die Kinder am Abend des 5. Januars ihre Schuhe mit Stroh und Getreide, das als Futter für die Pferde der Könige dient. Das wir vor die Haustüre gestellt. Am nächsten Tag befinden sich darin meist kleine Geschenke, Plätzchen und Süßigkeiten. So ähnlich wie der Nikolaustag in Deutschland, nur einen Monat später.“

„Doch, jetzt fällt es mir wieder ein. In England sagen wir dazu Epiphany“, informierte sie uns. „Aber meine Eltern haben das nie wirklich gemacht. Daher kenne ich es kaum. Wie genau funktioniert es hier in Deutschland? So wie in Spanien?“

„Ungefähr“, setzte ich zur Erklärung, „aber bei uns ziehen immer drei verkleidete Leute – manchmal Erwachsene, aber auch Kinder – als die drei Weisen aus dem Morgenland als Sternsinger von Haus zu Haus. So wie diese drei netten Herren.“ Ich deutete auf sie und sie lächelten beschämt. So ausführlich waren sie wohl noch nie erklärt worden. Sie sammeln meist Geld für die Kirche, singen und erneuern die Segenswünsche über den Haustüren. Das ist eine Tradition der Christen, die eine große Tradition in Deutschland ist. An diesem Tag ist sogar Feiertag.“

„Interessant“, fand Kim. „Können wir den Film jetzt weiter schauen?“ Sie wandte sich an die Sternsinger. „Was steht ihr hier noch herum? Singt anderen das Geld aus der Tasche, von Dina habt ihr schlielich etwas bekommen. Eure Arbeit ist getan. Danke und noch einen schönen Abend.“ Mit diesen Worten schloss sie einfach die Tür vor den verdutzt dreinblickenden Männern.

„Hast du das gerade wirklich gemacht?“, fragte ich baff.

„Ja“, entgegnete Kim unbeeindruckt, „du hast mir doch dabei zugeguckt. Aber ich will jetzt wieder unter den Teppich und den Film weiterschauen. Diesen Fluch kann ich die auch morgen selbst über die Tür schreiben. Dazu gibt es bestimmt Anleitungen im Internet. So schwer sieht das nicht aus.“

„Kim, du bist irre. Außerdem ist das ein Segen, kein Fluch!“, berichtigte ich sie.

„Wie kannst du nur so krass drauf sein? Das sind doch auch nur ganz normale Menschen!“, konterte Dina.

„Du sagst es: ganz normale Menschen. Weder Könige noch aus dem Morgenland. Da haben sich einfach drei Männer verkleidet – super toll! Ach ja, einer hat sich sogar dunkel angemalt. Aber mal ganz ehrlich: Ich will jetzt den Film und nicht eine singende Theatervorführung angucken!“ Ohne weiter darauf einzugehen, stapfte sie zurück aufs Sofa und wickelte sich in die Decke ein.

„Das hat sie jetzt nicht ernst gemeint?“, meinte Dina.

„Ich fürchte, genau das hat sie gemeint!“, druckste ich, da ich es selbst nicht ganz fassen konnte. Kim war manchmal so aufbrausend, dass ich mich schon fast schämte, mit ihr befreundet zu sein. Nein, so ging das auf keinen Fall weiter! Doch erst einmal huschte auch ich zurück aufs Sofa und kuschelte mich in die noch warme Decke.

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