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Fifty Shades of Grey

Vera Sturm

Ein Dom zeigt reges Interesse an einer deiner zurückhaltenden Figuren. Was geschieht?

Arbeit über Arbeit. Eigentlich hätte ich noch ein Interview führen müssen, aber zum Glück übernahm es Anita und ich hatte somit heute frei. Kim und Dina würde ich es nicht sagen, denn heute brauchte ich die Zeit für mich. Ich hatte schon einen Klub in Aussicht. Ich war eigentlich kein Klubgänger, aber zumindest würde ich so noch etwas erleben – mehr als auf einer Parkbank.

Eine Stunde später befand ich mich gestylt vor einem der angesagtesten Klubs der Stadt. Mir wurde nun doch leicht mulmig, aber ich wollte auch keinen Rückzieher machen.

Der Türsteher ließ mich passieren und ein paar Männer pfiffen mir hinterher. Das fühlte sich sehr komisch an. Mir wurde immer unwohler. Als Reporterin war ich Menschenmengen gewohnt und ich hatte auch kein Problem damit, aber Ausgehen war eine komplett andere Situation, als mit Notizblock und Aufnahmegerät wildfremde Leute anzusprechen.

Ich beschloss, mir einen Drink zu holen. Nicht zum Trinken, aber dann hatte ich zumindest etwas in der Hand und würde mich nicht ganz so verloren fühlen.

Gerade als ich bestellte, tippte mich jemand unerwartet von hinten an. Ein junger Mann zwinkerte mir zu und lächelte breit – ja, verdammt gut sah er auch noch aus!

„Na, ganz allein hier?“, wollte er wissen.

Ich nickte, doch dann merkte ich, wie blöd ich war. Jeder wusste doch, dass man das nie sagen durfte – schon gar nicht als Frau!

„Darf ich dir Gesellschaft leisten?“

Ich nickte wieder. Warum bloß? Irgendwie hatte dieser Mann einen Charme, der ihn unwiderstehlich machte. Ich war einfach nicht in der Lage, ihn abzuweisen.

„Ich zahle deinen Drink“, bot er an und ehe ich mich versah, saßen wir zusammen an einem Tisch und er lehnte sich nahe zu mir herüber.

„Vielen Dank, aber kennen wir uns?“, versuchte ich zumindest seinen Namen herauszufinden.

„Nicht, dass ich wüsste. So ein schönes Gesicht würde überall wiedererkennen.“ Er zwinkerte mir zu und rückte noch ein Stück näher. „Was treibt dich hier her?“

„Neugier, Langeweile. Und dich?“

„Auch. Ich habe nach dir gesucht.“

„Also kennen Sie mich doch?“ Ich war nun vollends verwirrt.

„Seit gerade eben. Wie heißen Sie denn?“, erkundigte er sich, während er einen Arm auf meine Schulter legte. Würde man uns von außen beobachten, konnte man meinen, wir kennen uns schon Jahre, so nah, wie dieser Kerl auf mir hockte.

„Ich heiße Vera und Sie?“

„Schöner Name, ich bin Christian“, stellte er sich vor.

„Grey?“, rutschte es mir heraus. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie musste ich an Fifty Shades of Grey denken. Hoffentlich wusste er nicht, wovon ich gesprochen hatte.

„Also soll ich dich Anastasia nennen?“

„Was?“ Verblüfft lachte ich auf.

„Ich merke, du magst Spielchen – ich auch. Sehr sogar. Vor allem im Bett!“ Er zwinkerte mir zu.

Mist, er hatte es sofort bemerkt. Aber auf diese Art von Spielchen hatte ich keine Lust. Weder als Vera Sturm noch als Anastasia Steele.

„Wieso so unruhig?“ Christian – falls er überhaupt so hieß – musterte mich. „Was arbeitest du?“

„Ich bin Reporterin“, erklärte ich knapp.

„Interessant, man könnte es auch als Lektorin bezeichnen, nicht wahr, Ana?“

„Hören Sie bitte auf mit diesen Anspielungen! Das gefällt mir nicht! Und was arbeiten Sie?“

„Ich bin Mil…“, setzte er an.

„Klar, Sie heißen Christian und sind Millionär! Mehr können Sie den Film nicht nachspielen!“, empörte ich mich.

„Milchlieferant, wollte ich sagen“, klärte er mich auf, „Millionär wäre ich gerne.“ Plötzlich begann er zu lachen. „Nun haben Sie aber damit angefangen.“

Genervt rollte ich mit den Augen. Dieser Kerl ging mir allmählich auf die Nerven.

„Wollen wir das nicht gemütlich bei mir zu Hause besprechen?“, schlug er vor.

„Wohl in Ihrem Spielzimmer! Nein, danke, kein Interesse.“ Ich leerte den Inhalt meines Glases in einem Zug ab und befreite mich grob aus Christians Armen. Mir war diese Situation mehr als unheimlich. Ohne ein weiteres Wort stand ich auf und stürmte aus dem Klub. Was hatte ich mir nur dabei erhofft? Den neuen Traumtypen kennenzulernen? – Wohl kaum!

Ehe ich die Garderobe erreichte, klingelte mein Handy. Doch auch nach längerer Suche konnte ich es nicht finden. Lauter und immer lauter klingelte es.

Dann schlug ich die Augen auf. Ich war gar nicht in einem Klub. Ich saß zu Hause auf meinem Sofa und der Fernseher lief. Natürlich: Fifty Shades of Grey. Ich hatte alles nur geträumt.

Oh Mann, ich war wohl wirklich überarbeitet. Zumindest wusste ich jetzt, dass ich nie wieder in einen Klub gehen würde. Nicht, dass mir so etwas wirklich irgendwann passierte. Zumindest wäre ich dann vorbereitet … glaube ich zumindest.

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