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Granny‘s Sause

Kim Posse

Deine zwei ältesten Figuren wollen eine Sause machen. Was geschieht?

Verschlafen schlurfte ich ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag bereits die Post. Sicher hatte Mara, die Frühaufsteherin sie bereits um sechs Uhr hereingeholt. Fein säuberlich lagen drei Stapel auf dem Tisch: Post für mich, für Lisa Kramer und für Mara Hüblein. Ich schnappte mir meinen Stapel und hockte mich an den Tisch. Ganz oben fand ich einen Brief von meiner Grandma, die mich zu ihrem runden Geburtstag einlud. Bereits in drei Tagen feierte sie.

Drei Tage später saß ich – nachdem ich Todesängste im Flugzeug ausgestanden hatte – auf dem Sofa meiner Granny, die mich überglücklich abschmatzte.

„Ach, Kindchen, dass ich das noch einmal erleben darf, dass du mich besuchen kommst. Dass ich da erst meinen siebzigsten Geburtstag feiern muss … Aber egal, solange du nun hier bist.“ Sie knuddelte mich und summte vor sich hin.

„Granny Quinn, wen hast du denn alles eingeladen?“, fragte ich sie.

„Das weiß ich gar nicht“, kicherte sie. „Ich habe eine Anzeige in der Zeitung geschaltet und alle eingeladen, die Lust auf eine Feier haben. Die einzige Bedingung war, dass sie ein Geschenk mitbringen müssen.“

„Das hast du wirklich getan?“ Meine Granny verblüffte mich. Sie war noch durchgeknallter als ich es war.

„Natürlich!“, strahlte sie. „Schließlich sollen her die Fetzen Fliegen. Ich will eine richtige Sause machen.“

„Eine Sause? … Aha.“ Da fiel mir etwas anderes ein. „Quenny“, ihr Kosename, „ich habe leider kein Geschenk dabei. Das habe ich völlig vergessen in der ganzen Aufregung.“

„Schätzchen, das macht doch nichts. Du bist meine Enkelin. Du bist entschuldigt“, versicherte sie mir.

Da schellte es an der Haustür. Granny hatte noch die typisch rasselnde Klingel, die selbst vor verschlossener Tür noch zu hören war.

„Erwin, Earl“, stieß sie glücklich aus, „welch eine Freude. Seid ihr extra für mich aus dem Altersheim ausgebrochen?“

Die beiden alten Herren, die sich auf je einen Rollator stützten blickten lächelnd meine Oma durch ihre dicken Brillen an. Beide hatten schon lange keine Haare mehr auf dem Kopf und auch die Zähne schienen sie im Bad vergessen zu haben.

„Deine Sause lassen wir uns doch nicht entgehen“, gluckste Earl.

„Meine junge Siebzigerin. Noch genau so knackig wie damals.“ Erwin pfiff durch die Zähne.

Au weia. Das war wohl der Punkt, an dem ich mich schnell aus dem Staub machen sollte. „Gibt es noch etwas in der Küche zu tun?“, fragte ich und lief ohne eine Antwort los.

Wo war ich nur hier hineingeraten? Eine Rentnerparty für Ü70-jährige? Das konnte ja was werden. Kein Wunder, waren meine Eltern nicht aufgetaucht, da sie leider noch einen wichtigen Termin hatten. Sicher einen super wichtigen Kinotermin, der nicht verschoben werden konnte. (Theoretisch stimmte das auch, denn das Kino nahm keine Rücksicht auf einzelne Gäste, andererseits lief der Film ja nicht nur einmal.) Sie wollten zum Nachfeiern einen Tag später kommen. Das hätte ich auch tun sollen.

„Kiiiiim“, rief mich meine Granny, „hilfst du Erwin und Earl bitte ins Haus. Ihre Rollatoren sind so unhandlich.“

„Du weißt ja, deine Grandma weigert sich standhaft gegen einen Treppenlift“, klagte Earl.

„Den brauche ich noch lange nicht. So ein Ding macht einen alt. Mit so etwas wird man viel zu bequem!“, konterte Quenny.

„Sei es drum, aber ich bin alt und bräuchte das Ding“, klagte Erwin. Earl nickte zustimmend.

„Wartet, ich helfe euch“, meinte ich und zog sie nacheinander die Treppe hinauf. Schnaufend saßen die beiden getürmten Altersheim-Bewohner auf ihren Rollatoren und rangen nach Atem.

„Herrje, Quinn, von nahem siehst du noch heißer aus als du ohnehin schon bist. Du scheinst noch ordentlich Feuer in deinem Alten Leib zu haben.“

„Und ob! Sex hält jung. Das ist das Rezept zum Altwerden!“, kicherte sie.

„Das … wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen“, meinte ich beschämt. Diese Themen waren mir sehr unangenehm.

„Wieso? Hast du noch keinen Boyfried?“, wollte sie wissen.

„Da sieht man mal, wie gut du mich kennst“, warf ich ihr vor. „Nein, habe ich nicht.“

„Du lässt dich ja nicht blicken“, konterte sie prompt.

„Und wer sagt, dass ich unbedingt einen Boyfriend habe? Vielleicht bin ich mit einem Mädchen zusammen.“ Ich wartete geduldig auf ihre Reaktion, doch sie ließ sich nichts anmerken.

„Nun ja, oder das. Womit du auch immer glücklich bist“, fand sie.

Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Doch es freute mich ungemein, dass sie damit so offen umging und kein Problem damit hatte. Ohne ein Vorurteil zu fällen, aber sie war schließlich in einer Generation aufgewachsen, als das alles andere als normal gewesen war. Mein Dad würde da sicher anders reagieren, doch sicher wäre Mum noch mehr entsetzt darüber, wie ich sie kannte.

„Wollen wir nun endlich die Sause steigen lassen?“, meinte Earl ungeduldig. „Ich roste hier komplett zusammen.“ Er wandte sich an mich. „Gibt es was zu saufen?“

„Earl!“, mahnte meine Granny. „Hier gibt es keinen billigen Alkohol! Es gibt doch ganz andere Mittel, um sich zu berauschen.“

„Was, etwa Sex?“, murrte ich genervt.

„Nicht nur das. Ich habe Hasch-Plätzchen gebacken. Will jemand?“

„Dein Ernst?“, stutzte ich.

„Klar, wieso denn nicht?“, gab sie kichernd zu.

„Hast du schon welche gegessen?“

„Klar!“, kicherte sie weiter.

Nun ging mir schlagartig ein Licht auf. Daher war sie wohl so aufgedreht und ungehalten. Meine Granny gehörte zwar nicht zu der verbitterten Sorte von Rentnern, doch so hatte ich sie auch noch nie erlebt.

„Holst du sie bitte? Das ist die grüne Schüssel auf der Theke“, bat sie mich.

„Ganz ehrlich, das unterstütze ich noch weniger als Alkohol. Ist dir eigentlich klar, was du da machst?“

„Jetzt halte mir keine Strafpredigt! Ich bin die Mum deiner Mum. Ich habe dir deutlich mehr zu sagen als deine Mum. Also spiele dich nicht wie meine Mum auf!“, motzte sie. „Sonst werfe ich dich mit meinem Gebiss ab.“ Drohend nahm sie es heraus und klapperte damit direkt vor meinem Gesicht herum.

„Grandma!“ Empört trat ich einen Schritt zurück. „Du wirst siebzig, keine siebzehn!“

„Aber man ist nur so alt, wie man sich fühlt!“, gluckste sie. „Also los, bring mir die Hasch-Plätzchen. Oder soll ich dich damit abwerfen?“ Sie fuchtelte mit ihren dritten Zähnen wild herum.

„Bloß nicht. Ich gehe ja schon!“

„Na geht doch“, meinte sie, als ich mit der Keksdose zurückkam. „Dann isst du jetzt einen und du wirst sehen, dass du es danach mit ganz anderen Augen siehst. Da bist du auch viel entspannter, glaube mir!“

„Ich denke ja nicht daran!“ Rasch wandte ich mich von ihr ab und stürmte in die Küche. „Ich muss Mum anrufen! Granny ist komplett übergeschnappt!“, murmelte ich vor mich hin. „Ich muss Mum Bescheid sagen.“ Doch natürlich ging sie nicht dran – im Kino muss das Handy ja stumm geschaltet sein …

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