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Hausarbeit

Niklas Böhringer

Deine Schreibmotivation liegt am Boden. Welche deiner Figuren wünschst du dir zur Inspiration herbei? Gelingt es?

„Wahnsinn, das sind ja ganz neue Bilder.“ Anerkennend schlug mir Kim auf die Schulter. „Du weißt gar nicht, wie lange ich schon darauf warte, dass du endlich wieder schreibst!“

„Kim!“ Ich atmete schwer aus. Obwohl es direkt wieder nach Stress aussah, freute ich mich, meine chaotische Hauptfigur wiederzusehen.

„Ich habe dich schon Ewigkeiten nicht mehr schreiben sehen“, teilte sie mir mit.

„Ich mich auch nicht. Weißt du, ich musste für die Semesterprüfungen lernen, das geht nicht so nebenbei.“

„Ach, daran bist du selbst Schuld!“, meinte sie.

„Wie? Wieso soll ich daran Schuld sein?“, wunderte ich mich.

„Na, du hast dir doch ausgesucht, Grundschllehramt zu studieren. Dass ich das nicht könnte, hatten wir ja bereits. Daher hast du es dir selbst zuzuschreiben, schließlich studierst du freiwillig.“

„Das stimmt, es macht auch großen Spaß!“, klärte ich sie auf, obwohl Prüfungen natürlich nie schön waren. Jedoch hatte ich alle für dieses Semester hinter mich gebracht und konnte mich nun wieder ganz meinen Büchern widmen.

„Wie auch immer“, winkte sie ab. „Was schreibst du da gerade?“ Neugierig beugte sie sich vor, um besser sehen zu können. Sehr weit nach vorne. Sah sie etwa schlecht?

„Ich schreibe meine Hausarbeit.“

„Aha, also immer noch fürs Studium!“ Empört schaute sie mich an. „Ich dachte, du bist fertig?“

„Mit den Prüfungen, ja. Aber diese Hausarbeit muss ich dennoch schreiben.“

„In den Semesterferien?“, stutzte sie. „Ist ja frech!“

„Deshalb wird es liebevoll vorlesungsfreie Zeit genannt. In diesem Zeitraum finden keine Vorlesungen und Prüfungen statt, komplett frei hat man trotzdem nicht …“ Ich zuckte mit den Schultern, da ich mich inzwischen damit abgefunden hatte.

„Ist ja grauenvoll!“, teilte mir Kim unmissverständlich ihre Meinung mit. „Und ich dachte, ich kann hier ein bisschen für Inspiration sorgen, dass unsere Geschichte endlich weitergeht. Ich kann es kaum abwarten.“

„Keine Sorge, ich schreibe schon irgendwann weiter“, versprach ich.

„Ah ja?“ Kim zog beide Augenbrauen nach oben. Eigentlich hatte sie nur eine hochziehen wollen, um einen skeptischen Gesichtsausdruck zu machen, schaffte es allerdings auch nach mehreren Versuchen nicht. Frustriert gab sie auf.

„Und worüber schreibst du deine Hausarbeit?“

„Ich schreibe sie in Deutsch über das Bilderbuch.“

„Hä? Das ist ein Witz, oder?“, stutzte sie.

„Nein, eigentlich nicht. Ich habe bereits ein Blockseminar aus dem nächsten Semester belegt und muss nun eine Hausarbeit über das Thema sozialsemiotischer Blick auf das Medium Bilderbuch schreiben.“

„Ih, klingt ja … interessant.“ Ihr angeekelt verzogenes Gesicht zeigte deutlich, wie begeistert sie davon war.

„Ach, ich finde das Thema ganz spannend. Ich liebe Deutsch und schreibe gerne darüber“, gestand ich. Auch wenn ich in dieser Zeit nicht an meinem Buch weiterschreiben konnte, bereitete mir diese Arbeit einigermaßen Spaß.

„Und was musst du da schreiben?“

„Das ist eine sehr gute Frage … Diese Hausarbeit ist meine erste überhaupt und ich habe keine Ahnung, wie ich es genau machen soll, aber den groben Aufbau haben wir bereits gesagt bekommen. Ich soll ein Bilderbuch nach verschiedenen Kriterien untersuchen: die Farbgebung, das Bild-Text-Verhältnis und weitere Kriterien wie Blickwinkel oder Kameraeinstellung.“

„Hä, Kamera? Ist das jetzt ein Film oder was?“

„Quatsch, aber Bilder kann man auch gezeichnet so darstellen, als ob sie aus einer anderen Perspektive aufgenommen wurden. Deshalb nutzt man hier die typischen Kamerabegriffe.“

„Verrückt. Zum Glück muss ich das nicht machen.“ Erleichtert atmete Kim auf.

„Du kannst es Probe lesen, sobald ich fertig bin“, schlug ich vor.

„Hilfe, nein, bloß nicht! Da kann ich mir weitaus Besseres vorstellen.“

„Das kann sich sicherlich jeder vorstellen, aber weißt du, ich finde mich damit ab und mache es einfach. Meckern bringt da eh nichts.“

„Pah, ich meckere gerne. Ich kann das ziemlich gut!“, maulte Kim.

„Das weiß ich!“, pflichtete ich ihr bei. In diesem Bereich war sie der absolute Profi.

„Und wenn du doch beschließt, an deinem Buch weiterzuschreiben, weißt du, wo du mich finden kannst. Dann bin ich dir gerne behilflich. Schließlich geht es dann um meine Geschichte, da unterstütze ich dich gerne.“

„Aha, sobald es um dich geht, bist du hilfsbereit. Und wenn du etwas für mich machen musst …“

„… ist mir das recht egal!“, beendete Kim meinen Gedanken.

„Na herzlichen Dank auch!“

„Was, man soll doch ehrlich sein!“

„Manchmal sollte man lieber lügen … oder einfach schweigen!“, beschwerte ich mich.

Kim verließ mein Zimmer und ich konzentrierte mich wieder auf meine Hausarbeit über das Bilderbuch …

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