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Pasta al dente

Dina Noche Prudencio

Tag der italienischen Küche

„Hergehört“, unterbrach uns Kim. „Ich habe euch etwas Wichtiges zu erzählen.“

„Lass hören, ich bin gespannt.“ Ich setzte mich aufrecht hin und wartete ihre Neuigkeit ab. Vera tat es mir gleich. Auch sie schien es nicht erwarten zu können.

Gerade saßen wir in der Wohnung von mir und Mamá auf dem Sofa. Vera und ich neugierig, Kim vor Aufregung fast platzend.

„Schieß los, du kannst es selbst kaum erwarten, es uns endlich zu sagen“, erkannte Vera.

„Ich habe einen Kochkurs gemacht.“

„Du hast was?“, stutzte ich. „Kim, sei mir nicht böse, aber du kannst doch gar nicht kochen.“

„Genau darum habe ich einen Kochkurs gemacht. Allerdings kann ich nur italienische Gerichte kochen.“

„Ich wusste doch, die Sache hat einen Haken“, stöhnte Vera belustigt, „und wieso ausgerechnet nur italienisch?“

„Der Koch, der den Kurs hätte leiten sollen, war unerwartet auf Geschäftsreise, da ist seine Frau eingesprungen – sie ist Italienerin. Daher haben wir nur italienisch gekocht: Pizza und Pasta mit Tomaten, hochwertigem Olivenöl und frischen Kräutern. Natürlich durfte der Mozzarella nicht fehlen.“

„Na ja“, warf ich ein, „so schlimm ist das doch gar nicht. Ich esse Pizza sehr gern und auch Pasta, wenn sie gut gemacht ist.“

„Da kann ich dir nur zustimmen“, fand Vera. „Wollen wir gleich in die Küche gehen und du zeigst uns dein Können?“

„Okay“, meinte Kim unsicher, lief jedoch in die Küche, wo sie die Zutaten zusammensuchte.

Ich folgte ihr und zeigte ihr, wo alles stand.

„Hast du dir eigentlich Rezepte aufgeschrieben oder kannst du alles auswendig?“, wollte Vera wissen.

„Auswendig? Das würde ich gerne können! Aber nein, ich habe alles“, Kim zog ein zerknülltes Blatt Papier aus ihrer Hosentasche, „hier aufgeschrieben.“ Sie strich es glatt, dann gab sie es Vera, die es interessiert musterte und anschließend mir reichte.


Spaghetti alla Carbonara

Risotto alla Milanese

Tagliatelle al ragù Bolognese

Pesto Genovese

Ossobuco in Gremolata alla Milanese

Tiramisù

Spaghetti mit Tomatensoße

Parmigiana di Melanzane

Costoletta alla Milanese

Pizza


Nicht alle der Gerichte kannte ich, doch alles klang ziemlich lecker.

„Und was habt ihr alles gelernt?“, fragte ich nach.

„Italienisch kochen, das habe ich dir doch schon gesagt. Du hast die Liste mit den Speisen übrigens in deiner Hand. Da kannst du gucken.“

„Das meine ich nicht“, erklärte ich. „Habt ihr auch andere Dinge über die italienische Küche gelernt? Ich kenne mich nicht so gut aus, aber mein Chef hat schon erwähnt, dass er im Fliegenden Drachen den Gästen am Tag der italienischen Küche nur italienische Spezialitäten anbieten möchte. Ich bin mir nicht ganz sicher, wann dieser Tag war. Irgendwann im Januar.“

„Der 17. Januar müsste es sein, wenn mich nicht alles täuscht“, fügte Vera hinzu.

„Woher weißt du das so genau?“, wunderte ich mich.

„Darüber hat mein Kollege im letzten Jahr einen Artikel geschrieben“, klärte sie mich auf.

„Ah, das hätte ich mir denken können.“ Das Ettlinger Amtsblatt hatte schon gefühlt über alles einen Artikel veröffentlicht. Wenn ich etwas Bestimmtes wissen wollte, musste ich oft nur zu Vera gehen, die im Archiv des Pressehauses alles fand, was nicht einmal im Internet zu finden war.

„Wozu ist dieser Tag überhaupt gut?“, erkundigte sich nun Kim, die endlich einen Topf gefunden hatte, in dem sie nun Wasser für Spaghetti erhitzte.

„Dieser Tag entstand als Reaktion auf die zunehmende Verwässerung italienischer Gerichte durch billige Massenproduktion. Das ist ohnehin schlimm, aber oft leidet auch die Qualität des Essens stark darunter. Daher wollte man mit diesem Tag an selbstgemachtes und gutes Essen erinnern und animiert weltweit viele Menschen, selbst zu kochen – vorne mit dabei Köche, Gastronomen und Fans der italienischen Küche.“

„Das finde ich richtig toll“, fand Kim und schrie im nächsten Moment auf, da ihr das Wasser fast überkochte. Im letzten Moment konnte ich den Topf noch vom Herd ziehen und in den Schaum pusten, der rasch wieder zurückging.

„In letzter Sekunde!“, stieß ich aus.

„Danke. Das ist mir im Kochkurs leider auch immer passiert. Ich weiß nicht, was ich falsch mache“, klagte Kim und verschränkte die Arme. „Kochen ist so schwer!“

„Auch nicht schwerer als backen“, fand ich.

„Na super, das kann ich genauso wenig!“, beschwerte sie sich.

„Das kann ich nicht nachvollziehen“, musste ich zugeben, „ich liebe backen!“

„Ich auch, ich kann es nur nicht.“

„Ich werde es dir irgendwann beibringen“, versprach ich, „aber jetzt kümmern wir uns erst einmal um die Spaghetti. Ich zog den Topf zurück auf die Herdplatte und kippte etwas Salz ins Wasser, damit das Essen genügend Geschmack bekam.

„Kennt ihr Gualtiero Marchesi?“ Kim guckte uns abwartend an.

„Nein, wer soll das sein?“

„Von ihm hat meine Kochkursleitern geschwärmt. Marchesi war ein italienischer Koch, dessen Restaurant 1985 als erster italienischer Vertreter mit drei Michelinsternen ausgezeichnet wurde. Er war ein Held für sie. Leider ist er 2017 verstorben. Daher ist es für sie noch ein großer Halt, italienisch zu kochen, um sich immer an ihn zu erinnern.“

„Das ist eine schöne Geschichte“, fand ich.

„Das ist nicht nur eine Geschichte!“

„Ich meine, dass ich es schön finde, wie deine Leiterin so ein Idol hat.“

„Ah, ja das finde ich auch schön.“ Kim guckte in den Kochtopf und fischte dann eine Spaghetti heraus. „Ich muss doch probieren, ob sie schon weich ist“, rechtfertigte sie sich, als sie meinen vorwurfsvollen Blick bemerkte.

„Nur zu, die sind bloß eine Minute erst drin. Die können gar nicht weich sein.“

Das Knacken beim Beißen verriet mir, dass ich recht behielt, doch Kim wollte es sich nicht anmerken lassen und kaute beschämt weiter.

„Die sind schon ganz weich“, log sie mit der knackenden Nudel im Mund.

„Kim, die können unmöglich weich sein!“, redete auch Vera ihr ein.

„Vielleicht al dente, aber auf keinen Fall weich!“, wandte ich ein.

„Al-was?“ Verwirrt guckte sie mich an.

„Hast du das in deinem Kochkurs nicht gelernt? Das wundert mich aber! Al dente bedeutet so viel wie bissfest. Dente bedeutet nämlich Zahn auf Italienisch und kann übertragen als ‚für den Zahn spürbar‘ übersetzt werden. Das sagt man, wenn Teigwaren zwar gar, aber weder weich noch zerkocht sind.“

„Hm, dann sind sie eben al dente“, gab Kim nach und kaute noch etwas auf ihrer knackenden Nudel herum. „Wollt ihr auch?“

„Ich glaube, ich lasse sie noch etwas im Topf“, lachte ich.

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