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Schreibblockade

Niklas Böhringer

Du hast eine Schreibblockade, dir fällt nichts mehr ein. Was machen deine Lieblingsfiguren?

Nichts. Das war momentan alles, was mir für meine Buchreihe um Kim, Dina und Vera einfiel. Das Schlimmste, was einem Autor nur passieren konnte, war bei mir eingetreten: die Schreibblockade.

Da ich mit offenen Karten spielen wollte, hatte ich die drei Freundinnen zu mir gebeten, um mit ihnen darüber zu sprechen. Schließlich ging es hier um ihre Zukunft. Da hatten sie entscheidendes Mitspracherecht.

„Mädels, ich habe ein Problem“, eröffnete ich das Gespräch. „Ich habe euch hergebeten, da ich …“

„Mach dir keinen Kopf“, fiel mir Kim ins Wort, „wir helfen dir immer gerne.“

„Darf ich bitte aussprechen? Also, ich habe eine Schreibblockade“, platzte ich heraus.

„Eine was?“, fragte Kim verdutzt nach.

„Oh je, das kenne ich. Manchmal sitze ich auch vor meinen Artikeln und weiß einfach nicht weiter.“ Sie raufte sich die Haare, da sie wusste, dass meine Schreibblockade deutlich größere Ausmaße für sie zu bedeuten hatte als ihre, wenn sie an einem Artikel nicht weiterkam. „Aber du schreibst hier schließlich über uns. Das darf nicht einfach so stoppen. Los, wie geht es weiter mit uns?“

„Ich will da euch mitentscheiden lassen“, teilte ich ihnen mit, worüber sie sich natürlich sehr freuten. „Ihr müsst das ja alles durchleben. Also, was wollt ihr?

„Ich will einen Freund, nicht mehr zur Schule und ein Schloss am Meer“, zählte Kim sofort auf.

„Und schon von Anfang an“, fügte ich noch hinzu, „ganz ohne Hindernisse geht es nicht, sonst langweile ich die Leser.“

„Das ist wieder klar!“, motzte sie genervt.

„Ruhig Blut, jetzt sammeln wir erst einmal Ideen“, begann ich und holte ein weißes Blatt und einen Stift hervor.

Schweigend saßen wir am Tisch und stierten minutenlang auf die leere Seite.

„Nichts“, jammerte ich. „Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.“

„Los, es muss doch weitergehen“, setzte mich Kim unter Druck. „Ich bekomme schon Beklemmungen.“

„Kim! Er hat eine Schreibblockade!“, ermahnte Vera sie. „Das kann man nicht mit einem Fingerschnippen beheben.“

„Und? Dann soll er diese Blockade eben auflösen. Die Hände sind doch noch intakt, oder etwas nicht?“ Begriffsstutzig tippte mir Kim auf die Finger.

„Denk doch mal nach, was du da sagst“, erkannte auch Dina. „Wie soll er etwas schreiben, wenn ihm nichts einfällt?“

„Wir kommen nicht weiter, wenn ihr euch streitet“, ging ich dazwischen. Nicht nur meine Nerven lagen an diesem Tag blank.

Wie wäre es mit einer Mindmap“, brachte Vera einen Vorschlag. „Wenn ich keine Idee habe, sammle ich erst einmal darin meine Ideen – egal, wie blöd sie im ersten Moment auch sein mögen. Und es hat den schönen Nebeneffekt, dass es so aussieht, als hätte man etwas getan. Das nehmen mir meine Kollegen immer ab.“

„Eine Mindmap ist eine tolle Idee“, fand ich. „Aber sie sieht halt auch nur toll aus, wenn uns etwas einfällt.“

Ich schrieb die Namen der drei Freundinnen in die Mitte. Nacheinander sammelten wir die verrücktesten Ideen. Stück für Stück wuchs die Mindmap.


„Da haben wir doch schon einige Ideen zusammengetragen. Jetzt kannst du weiterschreiben“, freute sich Kim und stand auf.

„Gehst du?“, sprach Dina verwundert das aus, was wir alle dachten.

„Ja, unsere Arbeit ist getan. Jetzt kann ich wieder heim und weiter eine Figur aus deinem Buch sein.“

„Aha“, brachte ich nur hervor. Doch eigentlich müsste mich das nicht verwundern, da ich Kim so erschaffen hatte. Diesen Charakter hatte ich so für sie vorgesehen. Da müsste ich mich theoretisch darüber freuen, dass sie so fabelhaft das umsetzte, was ich auf Papier zusammen gesponnen hatte.

„Sollen wir dann auch gehen?“, fragte Vera vorsichtig nach. „Ich hoffe, du hast neue Ideen für uns gefunden und die Schreibblockade ist überwunden.“

„Und dass unser nächster Fluch – er wird ja unweigerlich kommen, wie wir gerade gesehen haben – etwas milder ausfällt“, flehte Dina.

„Ich kann es berücksichtigen, aber leider nichts versprechen“, gestand ich.

„Ich weiß“, nickte Dina. „Aber du kannst es und ja etwas leichter machen und den einen oder anderen Hinweis mehr geben, dass wir nicht ganz in die Irre laufen.“

„Tja, das hoffen wir immer“, meinte Vera und musste lachen, „aber du glaubst doch nicht, dass uns das vergönnt wird.“

„Leider nicht“, gab ich ihr recht. „Aber bei eurem Wunsch mit euren Freunden kann ich definitiv etwas machen. Dina, du bist bereits mit Tiago zusammen. Diese Beziehung werde ich wohl auf die Probe stellen müssen …“

Entsetzt blickte sie mich an. „Aber … ich will Tiago nicht verlieren! Ich liebe ihn über alles!“

„Ich weiß. Und eure Liebe wird auch stark genug sein, um meine Hindernisse zu überstehen“, versicherte ich ihr und fügte noch etwas leiser „das hoffe ich zumindest“ hinzu.

„Und ich?“, wollte Vera wissen.

Mit einem Blick auf unsere eben erstelle Mindmap konnte ich ihr eine ungefähre Antwort geben: „Wahrscheinlich wird es auf Felix hinauslaufen, aber ihr seid ja erst in der Phase, in der alles kribbelt. Daher kann ich nicht versprechen, ob eure Beziehung besteht.“

„Wie schade“, meinte Vera betroffen. „Bitte überwinde dich und lasse mir meinen Felix. Ich bin noch nicht lange zusammen mit ihm, mochte ihn aber auf keinen Fall verlieren.“

„Ich kann es nicht mit absoluter Gewissheit sagen, aber es sieht gut für euch aus“, sicherte ich ihr zu.

„Nur Kim hat noch keinen Freund“, fiel Dina auf.

„Sie … ist etwas schwerer zu vermitteln“, musste ich lachend zugeben. „Da wird ihr Charakter wohl einiges dazu beitragen. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass Kim nur einen festen Freund wollte. Einen bestimmten Jungen hat sie mir nicht genannt. Daher steckt noch alles drin. Wer weiß, was mir noch für Ideen kommen werden und wohin die Geschichte läuft. Das kann ich im Voraus nie genau sagen.“

Selbst wenn ich eine Geschichte plante, nahm sie meist eine überraschende Wendung, mit der ich nicht gerechnet hatte – nicht einmal daran gedacht. Sobald die Figuren die Handlung übernahmen, hatte ich keinen Einfluss mehr darauf. Und das liebe ich so daran!

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