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Sporting disgrace

Kim Posse

Deine unsportlichste Figur muss für ihr Volk ein entscheidendes Turnier bestreiten. Was geschieht und zu was führt das Ergebnis?

Bereits die Vorstellung trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ausgerechnet ich. Ich und Sport. Das war, als wollte man ein Nilpferd fliegen lassen – hoffnungslos. Hätte das nicht jemand anderes machen können? Aber es ist leider nicht zu ändern. Da muss ich jetzt durch. Es hilft ja alles nichts. Also: Arschbacken zusammenkneifen und los … mit dem Kopf durch die Wand. Aber wenn es nur so einfach wäre.

Aber erst einmal der Reihe nach! Ich werfe vor Aufregung schon wieder alles durcheinander.

„Bereit?“ Mein Sportlehrer stand vor mir und sah mich erwartungsvoll an.

„Wie könnte ich nicht bereit sein?“, erwiderte ich. „Aber wieso kann nicht jemand anderes dieses Turnier laufen?“

„Kim, ich habe es dir schon mehrfach erklärt: Du bist die Einzige, die alt genug ist, um dieses Rennen mitzumachen.“

Mir entfuhr ein gequältes Lachen. „Das hätte Ihnen aber auch einfallen können, bevor Sie so vorschnell zugesagt haben.“

„Tja, nicht mehr zu ändern. Deine Klasse zählt auf dich. Du musst den Ruf der gesamten Schule verteidigen. Aber ganz ruhig, du packst das, das weiß ich.“ Mein Sportlehrer klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.

Vor einem Monat hatte es eine Ausschreibung für ein Turnier gegeben, an dem pro Schule jeweils nur ein Schüler teilnehmen konnte, um ein Preisgeld von 1.000 Euro zu gewinnen. Warum er da ausgerechnet mich ausgewählt hatte, war mir noch immer schleierhaft. Schließlich sagt mir meine Lunge selbst guten Tag, wenn ich bloß in den vierten Stock der Schule laufe. Da würde ich wohl kaum imstande sein, einen Lauf von mehreren Kilometern zu bewältigen.

Auf der Tribüne hatte sich meine komplette Klasse versammelt und feuerten mich bereits an. Ob das so viel bringen wird?

Aufgabe war es, einen ein Kilometer langen Lauf zu meistern. Und das gegen die besten der anderen Schulen. Wie sollte ich das schaffen? Unmöglich!

„Alle bereit?“ Der Schiedsrichter stellte sich mit Pfeife und Klappe an den Rand und wir nahmen die Startposition ein. Wie ich Sport hasste!

„Auf die Plätze, fertig und los.“ Gleichzeitig schlug er die Klappe zusammen und wir rannten los. Der Start lief besser als gedacht: Mühelos hatte ich die ersten Schritte geschafft, doch dann bekam ich Seitenstechen. Na super. Ausgerechnet jetzt! Nach Luft japsend quälte ich mich weiter.

Die ersten Läufer überholten mich bereits. Warte, jetzt erst? Ich blickte mich um. Da fiel mir auf, dass sie bereits in der zweiten Runde waren und ich nicht einmal die Hälfte geschafft hatte. Stumpfsinniges Rennen war noch nie meins gewesen.

Gefühlt Stunden später brach ich zusammen. Die Sonne brannte mir auf den Kopf und der Schweiß stand mir auf der Stirn. Leider verriet mir ein Blick auf die Uhr, dass meine gefühlte Stunde exakt zwei Minuten gedauert hatte. Na super!

„Kim, lebst du noch?“ Mein Sportlehrer tauchte neben mir auf und gab mir etwas zu trinken.

„Ich denke schon, wenn Sie nicht nur eine Halluzination sind.“ Erschöpft trank ich die Flasche in einem Zug leer. Zwar verleerte ich die Hälfte, aber das war mir egal.

Meine Klasse tobte vor Empörung und sie rannten aufgebracht zu mir. Sie umrundeten mich und warfen mir die schlimmsten Vorwürfe an den Kopf.

„Was kann ich dafür? Ich habe es zumindest versucht“, verteidigte ich mich. „Ich war schon immer mega schlecht in Sport und das wird sich so plötzlich auch nicht ändern.“

„Da ist ja selbst meine Oma besser“, bekam ich einen dieser Standard-Sprüche zu hören.

„Das ist sie wahrscheinlich wirklich“, musste ich zugeben, aber es war mir auch egal. Ich hatte es versucht. Mehr konnte ich nicht tun.

„Dabei sein ist alles“, fand eine Klassenkameradin, die ebenso schleicht in Sport war. „Du warst stets bemüht“, kicherte sie. „Traurig, aber wahr.“

„Dann gibt es eben kein Stipendium. Andererseits: Was hätte ich davon? Ich dürfte auf eine Sportschule gehen und diese Kacke täglich machen. Nein danke, da ist es schon ganz gut, dass ich verloren habe. Sollen lieber die gewinnen, die das auch wirklich wollen. Ich schaue ihnen lieber dabei zu.“

„Anfeuern macht eh viel mehr Spaß“, meinte meine Freundin und setzte sich neben mich. Wir warteten ab, bis das Turnier zu Ende war und der Gewinner feststand.

„Hey, Kim, du bist eine 10/10“, meinte einer der Jungs.

Ich fühlte mich geehrt und geschmeichelt. Leider musste ich feststellen, dass ich rot wurde. Flirtete dieser hübsche Junge gerade wirklich mit mir?

„Findest du? Danke“, gluckste ich benommen.

„Ja, ich habe gerade das Ergebnis angeschaut: Du bist auf Platz 10/10. Du hast verloren.“

„Oh, das meinst du.“ Mein Gesicht begann nun richtig zu glühen. Wie peinlich!

„Mach dir nichts draus, der ist sowieso zu sportlich für dich!“, wollte meine Freundin mich aufmuntern. Spoiler: Erfolglos!

„Was soll das denn bitte bedeuten? Soll ich mir so einen fetten Faulpelz anlachen, nur weil ich unsportlich bin? Ich habe auch meine Bedürfnisse!“

„Ich meine ja nur“, meinte sie Schulterzuckend. „Du musst realistisch bleiben!“

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