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Terminally ill forgiveness

Kim Posse

Nach einer abgelehnten Entschuldigung erfährt deine nachtragendste Figur, dass diese Person todkrank ist. Wie geht es weiter?

„Kim, ich möchte mich bei dir entschuldigen.“ Dina saß wie ein Häufchen Elend vor mir und blickte mich mit ihren dunklen Augen an.

„Entschuldigen? Du? Wofür überhaupt?“ Seit wann ließ sich Dina auf das Niveau herab, sich zu entschuldigen?

„Ich wollte dir sagen, dass es mir leid tut, dass ich dich so oft blöd angemacht habe und dass ich dich mehr als einmal ausgenutzt habe. Kannst du mir verzeihen?“ Dina sah mich flehend an.

Ach, das meinte sie. „Nein, als ob ich dir das je verzeihen würde! Wir sind zwar Freundinnen, aber irgendwo hört der Spaß auf. Ich sehe nicht ein, diese Entschuldigung anzunehmen. Wahrscheinlich ist es nicht einmal ernst gemeint, wie ich dich kenne. Warum sollte dir plötzlich danach sein, Reue zu zeigen?“

„Kim, bitte“, flehte sie, doch ich blieb stur, „ich habe erkannt, dass ich dich nicht immer fair behandelt habe und es tut mir leid.“

„Pah, nicht immer, es tut dir leid. Das kannst du deinem Hund erzählen. Aber bei mir kannst du auf Eis gehen. Nein, nein, nein. Ich nehme deine Entschuldigung nicht an. Außerdem: Wer garantiert mir, dass es danach nicht genauso wie bisher weitergeht? Du denkst wohl, einmal entschuldigen pro Jahr reicht, um sich wieder die nächsten Unverschämtheiten auszudenken?“

„Kim, bitte“, bat sie bitten. „Ich meine es ernst. Hundertprozentig ernst! So ernst wie noch nie! Ich kann übrigens auch gar nicht mehr gemein zu dir sein.“

„Aha, wieso das?“ Patzig verschränkte ich die Arme. „Verbietet dir dein schlechtes Gewissen diese Gemeinheiten?“ Ich lachte spöttisch auf. „Auf einmal wird sie zum Engelchen und fliegt davon. Haha, Dina, im Leben nicht!“ Ohne ein weiteres Wort von ihr abzuwarten, wandte ich mich um und lief davon.

Wir hatten uns mehr oder weniger zufällig in der Stadt getroffen, aber das ging mir nun wirklich zu weit. Ich war eigentlich mit Vera verabredet, weswegen ich einen Grund hatte, davonzulaufen. Einen berechtigten! Nicht wie Dina, die meist grundlos auf mir herumhackte, als sei ich ihr Wutsäckchen.

Keine fünf Minuten später traf ich auf Vera, die völlig aufgewühlt zu sein schien.

„Vera? Was ist mit dir?“, begrüßte ich sie.

Sie atmete erst einmal schwer durch, ehe sie es schaffte, zu sprechen. „Es … es geht um Dina.“

„Um Dina?“, kreischte ich genervt auf. „Hat sie auch bei dir so eine Scheiße gelabert?“

„Was meinst du?“ Vera bekam feuchte Augen.

„Was ist denn?“, fragte ich.

„Was hat Dina zu dir gesagt?“, wollte sie wissen.

„Sie wollte sich entschuldigen. Pah, ich habe es natürlich nicht angenommen. Sie meinte, ihr tut leid, wie sie mich behandelt hat. Als ob sie das ernst meinen würde. Zu dir war sie ja nie so gemein!“ Ich kam gerade in Hochtouren.

„Kim, diesmal meint sie es ernst. Das kannst du mir glauben“, versicherte Vera ernst.

„Ach, und wie willst du das wissen?“

„Sie hat es dir also nicht gesagt?“

„Was soll sie mir nicht gesagt haben? Und wieso heulst du überhaupt? Sag mir endlich, was los ist, Vera!“

„Dina … sie ist, Dina hat“, druckste Vera den Tränen nahe herum.

„Was ist mit Dina. Nun sag schon!“ Ich wurde ungeduldig. Wenn nicht die Begegnung mit Dina mich wahnsinnig gemacht hatte, gab mir spätestens Veras Gebrabbel den Rest. Vor allem wunderte mich, dass sowohl Dina als auch Vera komplett verändert schienen und sehr eigenartig waren. Was war bloß der Grund dafür?

„Dina“, setzte Vera erneut an, dann schluckte sie und atmete tief ein und aus. „Der Arzt gibt ihr nur noch höchstens drei Monate.“

„Wofür denn? Was soll sie denn in drei Monaten machen?“

„Sie hat Krebs, Kim. Sie ist todkrank, verstehst du?“, ließ sie die Bombe platzen. Vera schlug sich die Hände vors Gesicht und fing ungehalten an zu weinen. „Sie wollte sich bei dir entschuldigen, weil sie es wirklich bereut und sie verstanden hat, dass die Freundschaft zwischen uns dreien wertvoller ist als alles andere! Kim, bitte triff dich noch einmal mit ihr und nimm die Entschuldigung an! Ich kann es nicht verkraften, wenn du sie mit dieser Last gehen lässt. Ich weiß, Dina war ab und zu gemein zu dir – das finde ich auch nicht in Ordnung, keine Frage – aber in Anbetracht der Umstände finde ich, dass du es dir noch einmal gründlich überlegen solltest, die Entschuldigung anzunehmen. Wie würdest du dich an ihrer Stelle fühlen.“

Ich bekam immer größere Augen und mein Mund stand weit offen. Ich schaffte es kaum, einen klaren Gedanken zu fassen, ganz zu schweigen davon, ein Wort herauszubringen. Was sollte ich darauf sagen. Dina hatte Krebs? Wieso hatte sie es mir nicht erzählt?

„D-das kann nicht sein. Wieso ausgerechnet Dina?“, fragte ich nun fassungslos und merkte selbst, wie dämlich diese Frage war. Als ob man es sich aussuchen könnte! Nein, es war die Laune der Natur, wer es bekam. Beeinflussen konnte man es nicht.

„Bitte, Kim. Versprich mir, dass du es tust“, bat Vera schluchzend und zog die Nase hoch- Mit verheulten Augen blickte sie mich an.

Ich nickte und nahm ich sie in den Arm. „Ich werde es tun, ich verspreche es – hoch und heilig. Ich werde Dinas Entschuldigung annehmen und ihr alles verzeihen!“ Dann brach auch ich in Tränen aus.

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