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Teufels Brut im Badezimmer

Vera Sturm

Camino de Santiago - Teil 02

Deine geduldigste Figur wird für mehrere Stunden mit ihrem Erzfeind eingesperrt.

  1. Camino de Santiago 01: Lilith en el Camino de Santiago

  2. Camino de Santiago 02: Teufels Brut im Badezimmer


Ich machte mich gerade frisch und füllte die Wasserflaschen auf, als Dina ebenfalls den Waschraum betrat. Sie sah anders aus als zuvor. Irgendwie verängstigt, erschöpft, eingeschüchtert. Ich konnte es nicht genau deuten.

„Ist was?“, wollte ich wissen.

„Nein, was soll sein?“, fragte Dina, dann schloss sie sich in der Toilette ein. Kurz darauf ging die Spülung und Dina wusch sich wortlos die Hände. „Ich warte oben“, meinte sie und war schon wieder verschwunden.

„Was war mit Dina los?“, fiel auch Kim auf.

„Keine Ahnung. Vielleicht erschöpft“, rätselte ich.

„Ich geh auch hoch. Die vollen Flaschen nehme ich gleich mit.“

Ich nickte und Kim verschwand. Die Tür schloss sich hinter ihr und ich war allein. Leise summte ich vor mich hin, während ich die letzten Flaschen füllte. Abwesend blickte ich in den Spiegel und schreckte zusammen. Direkt hinter mir stand Lilith und guckte mich eindringlich an.

„Puh, hast du mich erschreckt“, meinte ich. „Ich habe dich gar nicht kommen hören.“

„Als Kim herausgekommen ist, bin ich durch die Tür gehuscht. Daher hat du es nicht gehört“, klärte mich Lilith auf.

„Ah“, machte ich. „Sag mal, weißt du, was mit Dina los ist? Sie kam mir irgendwie komisch vor, als sie kurz hier war.“

„Hat sie etwas gesagt?“, fragte Lilith fast schon streng. Ihre Augen verfinsterten sich.

„Nein, deshalb frage ich dich ja.“ Licht irritiert wandte ich den Blick ab.

„Ich weiß auch nicht, was mit ihr los ist. Sie ist sicher etwas erschöpft“, meinte Lilith. Sie wusch sich die Hände.

„Ich bin dann fertig“, freute ich mich. „Wir warten oben.“

Lilith nickte nur. Als ich hinausgehen wollte, musste ich feststellen, dass sich die Tür nicht öffnen ließ. Bestimmt hatte sie sich nur verhakt, redete ich mir ein. Ruhe bewahren, Vera! Allerdings bekam ich die Tür auch nicht auf, als ich fester daran rüttelte. Nun wurde ich merklich nervöser.

„Lilith“, sagte ich mit bebender Stimme, „kannst du mir mal helfen? Die Tür … sie klemmt.“ Unruhig rüttelte ich erneut.

Auch, als Lilith und ich mit vereinten Kräften am Knauf rüttelten, rührte sich die Tür kein Stück.

„Das gibt es doch nicht! Gerade ist Kim noch durch diese Tür gegangen – du auch, Lilith. Hat jemand abgeschlossen? Ich habe aber nichts gehört“, wunderte ich mich.

„Ich weiß auch nicht,“ rätselte Lilith.

„Ich rufe Dina an“, fand ich eine Lösung und tippte ihre Nummer an. Als ich den Hörer an mein Ohr hob, huschte über Liliths Gesicht eindeutig ein Schatten. Ich hatte ihn deutlich wahrgenommen. Und in demselben Moment piepte mein Handy, dass es kein Signal mehr hatte. Ein Funkloch!

„Was ist?“, wollte Lilith wissen, als sie mein entgeistertes Gesicht bemerkte. Sie hingegen schien kaum merklich zu grinsen.

„Das gibt es doch nicht! Ich habe keinen Empfang!“, fluchte ich. Um vielleicht ein Signal zu bekommen, lief ich den gesamten Raum ab, stieg auf die Klos und sogar das Waschbecken, hob es in sämtliche Ecken, doch nirgends bekam ich nur den kleinsten Empfang. „Mist! Mist! Mist!“

„Immer noch nichts?“

„Nein, sonst würde ich doch nicht so fluchen!“, regte ich mich über diese dämliche Frage auf.

„Haaaaalo? Ist da jemand?“ Ich hämmerte gegen die Tür, horchte dran, dann brüllte und hämmerte ich weiter. „Hiiiiilfeeee! Hört uns denn niemand!“

Lilith stand nur teilnahmslos neben mir – und grinste?

„Was lachst du denn so dämlich?“, fauchte ich fast. „Hilf mir gefälligst!“

„Hier ist niemand, was soll ich da mir die Finger wund hämmern? Das bringt doch nichts!“

„Na super. Du bist mir eine Hilfe! Klappt etwas nicht gleich wie erhofft, gleich aufgeben! Ich fasse es nicht!“ Meine anfängliche Ruhe war nun vollends erloschen. Wut stieg in mir auf. „Woher willst du überhaupt wissen, dass uns niemand hören kann?“

„Ich weiß es eben!“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was willst du dagegen tun? Es bringt ja doch nichts!“

„Hast du nicht dein Handy dabei und kannst versuchen, Dina anzurufen? Oder irgendetwas anderes, womit wir uns bemerkbar machen können? Was ist in deinem Säckchen?“

„Habe ich nicht. Und mein Beutel ist privat!“

„Privat! Ich habe das Gefühl, du willst uns nur nicht helfen!“ Erbost riss ich ihr den Lederbeutel aus der Hand. Da ich ihn nicht ganz zu fassen bekam und Lilith danach griff, rutschte er uns beiden aus den Fingern, fiel zu Boden und sein Inhalt verteilte sich klirrend über dem Boden.

„Beim heiligen Luzifer!“, kreischte sie erbost auf. Hastig klaubte sie alles zusammen, doch ich hatte alles genau gesehen.

„Goldmünzen … Knochen … Zähne?“, wunderte ich mich. „Wieso hast du so etwas in deinem Beutel. „Vor allem: Woher sind diese Knochen?“ Mir ging ein Licht auf. „Hat Dina diese Knochensammlung auch entdeckt? Dann wundert mich nichts mehr! Darum war sie also vorhin so eigenartig.“

„Ruhig!“, zischte Lilith und ihr Gesicht verwandelte sich zu einer Fratze, das nicht mehr sie zu sein schien. „Ich hole uns hier heraus, aber nur unter einer Bedingung!“

„Und … die wäre?“ Ich war mehr als unsicher, ob ich darauf eingehen sollte. Schon die Tatsache, dass sie mit „Beim heiligen Luzifer!“ geflucht hatte. Wer sagte das schon?

„Kein Wort zu Dina und zu Kim über das, was hier passiert. Kein Wort zu niemandem!“

„Einverstanden“, ließ ich mich darauf ein, nur um wieder herauszukommen.

Liliths Augen hatten sich in rote Glut verwandelt, als spiegelten sich die Höllenfeuer darin. Sie zog einen der Knochen hervor, steckte ihn ins Türschloss und drehte ihn um. Es klickte, dann schwang die Tür auf.

Verblüfft glotzte ich sie an, doch dann stürmte ich nach draußen. Sie folgte mir.

„Und vergiss nicht: Kein Wort!“, schärfte sie mir ein.

„Da seid ihr ja endlich!“, motzte uns Dina an. „Eine Stunde ward ihr beide da unten. Was habt ihr so lange gemacht. Jetzt schaffen wir es bestimmt nicht, vor der Dunkelheit die nächste Herberge zu erreichen. Aber für dich, Kim, war es ja super. So hast zumindest du deine Pause gehabt!“

„Lilith hat“, setzte ich an, doch ihr Blick brannte sich tief und schmerzhaft in mich ein, dass ich meinen Satz schnell anders beendete. „Lilith hat mit mir festgesessen. Wir wurden eingeschlossen und es war ein Funkloch.“

„Egal jetzt“, winkte Dina ab. „Ihr seid da, dann können wir weiter!“

Wir packten unsere Sachen zusammen, dann machten wir uns auf den Weg. Ich lief neben Dina her, während Kim hinter uns bei Lilith lief und sich mit ihr unbeschwert unterhielt. Oh, wenn sie nur wüsste!

Ich merkte, dass Dina mir etwas sagen wollte, sie es aber nicht über die Lippen brachte. Mir ging es ähnlich. Ich wollte ihr von Lilith, ihrer Veränderung, der unheimlichen Gegenstände und ihren feurigen Augen erzählen, doch alles, was herauskam, waren nur Worte über das Wetter. Immer, wenn ich es versuchte, redete ich unentwegt über das Wetter. Bei Dina war es ähnlich – das vermutete ich zumindest. Sicher konnte ich es natürlich nicht sagen. Zusätzlich hörte ich immer die Worte Kein Wort in meinem Kopf, die unverkennbar Liliths Stimme waren. Sie musste mit dem Teufel im Bunde sein. Anders konnte ich es mir nicht erklären!

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