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Wer wird Millionär?

Dina Noche Prudencio

Deine mutigste Figur wird zu einem Duell gefordert. Was ist der Grund und was geschieht?

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Gleich war es so weit. Tür lag noch vor mir, doch ich hörte bereits den Moderator sprechen.

„Und nun begrüßen Sie ganz herzlich Dina Noche Prudencio aus Ettlingen. Applaus!“

Schon wurde die Tür geöffnet und ich stand auf einer großen Bühne. Geblendet von den Scheinwerfern konnte ich kaum erkennen, wie viele Leute im Publikum saßen, doch selbst wenn es nur eine Hand voll gewesen wäre, würden mir dennoch die Knie zittern.

In diesem Moment fragte ich mich, wieso ich die Einladung zur Quizshow angenommen hatte. Solche Events, bei denen ich zu sehr im Rampenlicht stand, mochte ich nicht wirklich. Doch nun war ich schon einmal hier, da wollte ich es auch durchziehen.

Ich lief auf den Moderator Günther Jauch zu, der schick in seinem Anzug dastand und mich herwinkte. Er schien sich auf solch einer großen Bühne ziemlich wohl zu fühlen – ganz im Gegensatz zu mir. Ich kam mir vor, als sei ich vollkommen fehl am Platz.

„Hallo, Dina, schön, dass du da bist. Setz dich doch.“ Jauch lächelte mir zu und ich setzte mich ihm gegenüber, nachdem ich ihm die Hand gegeben hatte.

„Hallo“, sagte ich schüchtern und blickte unsicher lächelnd ins Publikum, das sich inzwischen wieder beruhigt hatte und gespannt darauf wartete, dass ich etwas sage. Diese Stille war fast noch unangenehmer als der tosende Applaus zuvor.

„Dann erzähl doch mal, woher kommst du? Was machst du?“, begann Günther Jauch das Gespräch.

„Ja, hallo, ich bin Dina Noche Prudencio, komme aus Ettlingen und arbeite dort als Kellnerin im Fliegenden Drachen“, sagte ich meinen bereits zurechtgelegten Satz auf, als sei es ein Schulvortrag. Diesen Satz hatte ich die letzte Woche jeden Abend vor dem Spiegel geübt und dennoch war ich ziemlich aufgeregt.

„Hast du noch jemanden mitgebracht?“, fragte Jauch weiter.

„Meine Mamá, Lucía, und meine beiden besten Freundinnen Kim und Vera. Mein Freund, Tiago, ist natürlich auch dabei. Leider durfte ich Luna, meine Hündin, nicht mitbringen“, zählte ich auf.

„Sehr schön. Nun ja, Luna wird sich bestimmt freuen, wenn Sie einen großen Gewinn mit nach Hause bringen. Da wird sich das Warten lohnen.“

„Wuhuuu, Dina“, rief eine weibliche Stimme, die unverkennbar Kim gehörte. Sei doch still!, befahl ich ihr stumm, doch natürlich bekam sie meine innerlich flehende Aufforderung nicht mit. Nun pfiff sie auch noch. Wieso bloß?

„Sie scheinen bereits jetzt ein paar Herzen der Zuschauer erobert zu haben“, amüsierte sich Günther.

„Das ist meine Freundin, Kim.“ Ich wandte mich suchend um. „Kim, danke, schone deine Kraft für später, wenn ich die Million mitnehme“, rief ich ihr zu.

„Oho, Sie scheinen sehr entschlossen. Das gefällt mir. Bevor wir mit der ersten Frage beginnen: Verraten Sie mir, was sie mit einer Million Euro machen würden?“

„Puh, darüber habe ich mir noch gar nicht so große Gedanken gemacht, um ehrlich zu sein. Aber auf jeden Fall möchte ich für mich und Tiago eine Eigentumswohnung kaufen. Wir wollen nämlich zusammenziehen“, erzählte ich.

„Sehr schön“, lobte Jauch. „Kamera, können wir Tiago einmal sehen?“

Der Kameramann zoomte auf Tiago, der nun in Großaufnahme auf den Bildschirmen im Studio zu sehen war. Ihm war es sichtlich unangenehm, denn er wurde ganz rot.

„Wo hast du mich hier nur hineingeschleppt?“, glaubte ich die Frage von seinen Augen lesen zu können. Es tat mir etwas leid, doch seine Unsicherheit stärkte mich. Denn komischerweise fühlte ich mich dadurch sicherer, wenn ich anderen Menschen Ruhe ausstrahlen konnte. Selbst gelang es mir nur schwer.

„Nun gut, dann wollen wir doch mit der ersten Frage beginnen.“ Er tippte auf den kleinen Bildschirm vor sich. „Dina, wollen Sie mit drei oder vier Jokern spielen?“

„Mit drei“, antwortete ich ohne zu überlegen, denn das hatten mir zuvor alle geraten. So blieb nämlich die Sicherheitsstufe bei der zehnten Frage enthalten und ich kann bei einer falschen Antwort nicht alles verlieren.

„Sehr schön, dann fangen wir an“, nickte Günther Jauch. „Die erste Frage: 50€.“


Vervollständigen Sie den Satz: „Von allen Seiten betrachtet – oder auch: Wie man es …?“

A: startet und gibt Gas

B: biegt ab und verfährt sich

C: hält an und fragt Passanten

D: dreht und wendet


„Oh, gleich eine sehr bescheuerte Frage“, lachte ich. Obwohl ich die Antwort direkt zu wissen glaubte, war ich mir unsicher, denn bei solchen Fragen konnte man schnell Leichtsinnsfehler machen. „Ich nehme D.“

„Wie man es dreht und wendet, sagen Sie. Dann logge ich das so ein. Und das ist – richtig! Die ersten 50€ gehören Ihnen.“

Das Pling der richtigen Antwort machte mich ganz glücklich. Auch das Klatschen des Publikums stärkte mein Empfinden.

„Damit kann ich meinem Hund schon ein paar Dosen Futter kaufen“, rutschte es mir heraus, was einige Zuschauer auflachen ließ.


Beschäftigt der fünfmalige Tour-de-France-Sieger Hinault entsprechende Hausangestellte, dann arbeiten bei …?

A: Focks Tärrier

B: Dallma Tiener

C: Re Pinnscher

D: Bernard Diener


„Ich nehme D.“

„Und auch das ist richtig!“

„Was für verrückte Fragen! Aber auch sehr lustig, wie es alles aus Hunderassen aufgebaut ist“, lobte ich.

„Wir kommen zu 200€.“


Lässt man sich auf eine Beziehung mit einer Schönheitskönigin ein, hat man sozusagen …?

A : ein Ungleich-Gewicht

B: ein Über-Maß

C: ein Miss-Verhältnis

D: eine Schief-Lage


Die nächsten Fragen löste ich noch relativ entspannt, doch als es schwerer wurde und ich bereits zwei von drei Jokern eingelöst hatte, pochte mir nun das Herz bis zum Hals. Mir wurde fast schlecht vor Angst.

„Unglaublich, wir sind bei der 500.000€-Frage. Sie sind unglaublich!“


Das naturgegebene Schicksal welcher Pflanze sieht vor, dass die Blüte bei den meisten Arten unweigerlich zum Tod führt?

A: Bambus

B: Ginkgo

C: Rhododendron

D: Eukalyptus


„Da habe ich keine Ahnung“, musste ich gestehen. „Ich würde A, den Bambus, ausschließen, bin mir aber absolut nicht sicher. Zu Gingko haben wir früher Kotz-Beere gesagt, da dieser so stinkt, aber keine dieser Pflanzen scheint mir tödlich zu sein.“

„Sie haben noch den Publikumsjoker übrig“, teilte mir Günther mit.

„Ich weiß, aber ich bin mir unsicher. Das ist schon viel Geld, das ich gewinnen kann, das ich aber genauso gut verlieren kann.“

„Nicht direkt, gewinnen ja, aber verlieren können Sie nicht alles. Sie haben schließlich die Sicherheitsstufe gewählt.“

„Richtig, dann nehme ich noch den Publikumsjoker.“

„Liebes Publikum, nun sind Sie gefragt. Was ist die richtige Antwort?“, wandte er sich an die Zuschauer.

Ein junger Mann aus der ersten Reihe stand auf.

„Ja?“, rief ich ihn auf.

„Hallo, ich bin Marco und studiere Pflanzenkunde. Ich schreibe meine Arbeit genau über dieses Thema. Die richtige Antwort ist A, Bambus.“

„Wirklich? Das hätte ich nicht gedacht. Aber vielen Dank.“ Ich war sehr glücklich. „Dann nehme ich A.“

„Sind Sie sicher?“

„Herr Jauch, bitte spielen Sie nicht mit meinen Nerven. Ich bin sehr nervös“, gab ich zu.

„Das brauchen Sie gar nicht, denn es ist richtig!“

„Vielen Dank!“, dankte ich Marco, der sich nun wieder setzte.

„Nun die letzte Frage: Die klassische, genormte Europalette EPAL 1 besteht aus 78 Nägeln, neun Klötzen und insgesamt wie vielen Brettern?“, las er vor.

„Oh, da muss ich gar nicht die Antworten hören“, unterbrach ich ihn. Damit kenne ich mich überhaupt nicht aus und ich habe auch keine Joker mehr. Ich nehme die 500.000 mit nach Hause. Damit bin ich mehr als zufrieden.“

„Eine gute Entscheidung“, fand Jauch und beendete das Spiel. „Damit gehören 500.000 Euro Ihnen, herzlichen Glückwunsch!“

Glücklich klatschte ich in die Hände und eilte zu Tiago, der an den Rand der Bühne gekommen war. Voller Freude küsste ich ihn.

„Das wird locker für eine große Wohnung reichen“, meinte Jauch, „ich wünsche Ihnen alles Gute.“

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