Writing a book in a month
Kim Posse
NaNoWriMo
National Novel Writing Month
30 Tage, 50.000 Wörter, 1.666 Wörter am Tag
„Kim, ich störe dich ja nur ungern, aber was machst du da?“ Mara, meine WG-Mitbewohnerin guckte mir halb interessiert, halb spöttisch dabei zu, wie ich vor meinem Laptop saß und wie wild in die Tasten haute.
„Ich schreibe, sieht man das nicht?“, erklärte ich, ohne damit aufzuhören.
„Doch, das sehe ich. Ich will nur wissen, was du schreibst. Etwas für die Schule?“
Nun unterbrach ich mein Tippen. So konnte ich mich unmöglich konzentrieren. „Mara“, ich wandte mich zu ihr um, „wieso denkst du, dass ich nur für die Schule schreibe? Schreiben ist mein Hobby und macht großen Spaß! Das solltest du auch einmal ausprobieren!“
„Ich?“ Ihr entfuhr ein kurzer Lacher, der in einem Hustenanfall endete. „Hast du mich schon jemals schreiben sehen?“
„Nein, aber vielleicht hast du es bisher heimlich getan“, überlegte ich.
„Genau!“ Fast verschluckte sie sich wieder. „Als ob ich mich in meinem Zimmer verstecke, damit mich niemand beim Schreiben sieht. Vor allem, was soll ich überhaupt schreiben? Was schreibst du?“
„Ich habe es tatsächlich lange niemandem verraten wollen, dass ich schreibe. Es ist verrückt, ich weiß, aber irgendwie habe ich mich nicht getraut. Ob es die Angst war, was andere dazu sagen oder nur Selbstzweifel, kann ich dir nicht sagen. Es hat Jahre gedauert, bis ich damit an die Öffentlichkeit gegangen bin. Nur meinen Eltern und meiner Familie habe ich es anvertraut. Nichteinmal meine engsten Freunde wussten davon.“
„Das ist echt verrückt“, musste Mara zugeben. „Aber zurück zur anderen Frage: Was schreibst du?“
„Was? Ich schreibe erfundene Geschichten, Fantasy oder New Adult. Es macht großen Spaß“, erzählte ich.
„Das hast du bereits erwähnt, dass es dir so großen Spaß macht.“
„Hm“, machte ich, „dann wird es wohl stimmen.“
„Ich hätte jedenfalls keine Motivation dazu“, meinte Mara und schüttelte hilflos lachend den Kopf. „Ich weiß nicht einmal, was ich schreiben soll.“
„Was du schreibst, solltest du auf dein Inneres hören. Du solltest nur das schreiben, was du auch selbst lesen wolltest. Anders macht es keinen Sinn.“
„Ergibt!“, unterbrach mich Mara.
„Was?“
„Es ergibt keinen Sinn. Du hast gesagt, es mache keinen Sinn. Aber das ist falsch. Das ist ein Anglizismus aus dem Englischen. It makes no sense.“
„Also die beste Voraussetzung zum Schreiben hast du: einen inneren Lektor! Und entschuldige, aber ich komme schließlich aus England und da kann der ein oder andere Fehler mal auftauchen.“
„Ist ja gut. Hast du noch einen Tipp für die Motivation? Vielleicht probiere ich es doch einmal aus“, gab Mara nach.
„Wirklich? Das ist ja großartig!“, freute ich mich.
„Nun übertreibe es nicht. Ich probiere es aus, habe ich gesagt. Ich schreibe nicht sofort einen ganzen Roman.“
„Musst du doch gar nicht. Der Anfang wird ohnehin holprig, bis du deine eigene Stimme gefunden hast. Und bis dahin ist der beste Tipp: schreiben, schreiben, schreiben.“ Da fiel mir noch etwas anderes ein. Mein Blick auf den Kalender, der den 1. November anzeigte, hatte mich darauf gebracht. „Kennst du den NaNoWriMo?“
„Wen?“ Verdattert guckte mich Mara an.
„Nicht wen, was! Der National Novel Writing Month – NaNoWriMo – findet jährlich im November statt. Das ist eine Challenge, innerhalb von dreißig Tagen – also den ganzen November über – 50.000 Wörter zu schreiben.“
„Fünfzigtausend?“ Entsetzt guckte sie mich an. „Du hast sie doch nicht alle. Ich will anfangen zu schreiben, da haust du mir eine solche Hausnummer um die Ohren. Super, Kim, die Motivation ist ganz oben.“
„Mara, verzweifle doch nicht gleich“, tadelte ich sie amüsiert, „du kannst dir natürlich ein kleineres Ziel setzen.“
„Das glaubst du aber!“
„Das offizielle Ziel ist es, täglich 1.666 Wörter zu schreiben. Das tägliche Wortziel kann man dann auf der Website nanowrimo.org eintragen, wo es richtig toll mit einer Statistik veranschaulicht wird. Du kannst dich dort mit anderen Menschen – deinen Schreib-Buddies – im Forum austauschen und Medaillen sammeln.“
„Kann man da auch etwas gewinnen?“
„Ja, allerdings nicht durch eine Jury. Gewonnen hat jeder, der es am Ende geschafft hat, 50.000 Wörter zu schreiben.“
„Das klingt gut“, fand Mara und nickte. „Kim, ich glaube, ich nehme die Herausforderung an. Und jetzt störe mich bitte nicht, ich muss schreiben.“ Mara setzte sich neben mich, zog ihren Laptop hervor und begann zu tippen. In rasender Geschwindigkeit füllte sich ihre leere Seite. Erstaunt sah ich ihr einen Moment dabei zu.
„Kim, du solltest schreiben, wenn du dein Wortziel erreichen möchtest!“, meinte Mara, ohne aufzuschauen. Sie war im Schreibfieber.
Glücklich begann ich selbst zu schreiben. Ich hatte es geschafft, meine Mitbewohnerin zu überzeugen. Die Freude darüber ließ meine Finger nur so über die Tasten springen. Rasch füllte sich auch meine Seite mit Text und die Geschichte nahm nicht nur in meinem Kopf allmählich Gestalt an. Auf meinem Laptop begann gerade eine tolle und aufregende Welt zu entstehen, die das Ziel hatte, 50.000 Wörter lang zu werden.
„Wahnsinn, ich habe schon die 500 geknackt“, jauchzte Mara und strahlte übers ganze Gesicht.
Ja, es gab doch nichts Schöneres als zu schreiben. Und NaNoWriMo war der optimale Ansporn dazu, um motiviert zu bleiben. Denn oft sind Ziele, die von außen gesetzt werden, bindender als die eigenen. Diese verschoben sich allzu leicht. Fest mit dem Ziel vor Augen, dieses Jahr zum ersten Mal selbst die 50.000 zu knacken, tippe ich weiter und tauchte ab in meine Welt aus Buchstaben, hinter der sich eine ganz eigene Welt verbarg und nur darauf wartete, entdeckt und erzählt zu werden.